Digitale Transformation bei der Winter School 2014

Wie wir alle kennen, geht es vor Weihnachten nicht nur im Job ganz besonders turbulent zu. Warum sich nicht einfach ein paar Stunden „Auszeit“ gönnen, fachlich hervorragende Vorträge anhören und sich mit interessanten Menschen zum Thema Digitale Transformation auszutauschen? Gesagt – getan und so fuhr ich am 17. Dezember bei nicht gerade winterlichen Temperaturen zur Winter School des Research Lab for Digital Business  ins Herman Hollerith Zentrum nach Böblingen. Der Gastgeber Prof. Dr. Alexander Rossmann konnte wie auch schon in der Summer School im Juli einen interessanten Mix aus hochkarätigen Rednern, Unternehmensvertretern, Vertretern aus der Wissenschaft sowie zahlreiche Studenten begrüßen.

Führung als zentraler Erfolgsfaktor bei der digitalen Transformation

Winter-School-2014-Alexander-RossmannIn seiner Eröffnungsrede, die unter dem Leitthema „Digital Business und Führung“ stand, stellte Prof. Dr. Rossmann deutlich heraus, dass Führung ein zentraler Erfolgsfaktor bei der digitalen Transformation ist.

Die bislang bekannten „Leuchtturmprojekte“ haben eine Gemeinsamkeit: in diesen Projekten gab es Führungspersönlichkeiten, die es verstanden haben, die Mitarbeiter bei den einschneidenden Veränderungen mitzunehmen sowie Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen.

Um dieses Ergebnis zu untermauern stellte er fünf Leadership-Thesen auf:

Die 5 Leadership-Thesen

  • „Strategie ist nicht gleich Strategie, Qualität und Kreativität entscheiden“ – Tatsächlich gibt es in vielen digitalen Transformationsprojekten keine hollistische Strategie. Vielmehr werden eher Taktiken angewandt, die kurzfristig ausgerichtet sind.
  • „Wir benötigen mehr transformationale Führung“ – Das reine Management und eine transaktionale Führung reichen nicht mehr aus. Ein kultureller Wandel ist notwendig, der allerdings nur dann funktionieren kann, wenn kommunikative, anpackende und kreative Führungspersönlichkeiten im Unternehmen sind.
  • „Erfolg bedingt tiefe Integration in Geschäftsprozesse“ – Um den notwendigen „Change“ in Unternehmen überhaupt herbeiführen zu können, müssen Geschäftsprozesse an die Digitalthemen angepasst und miteinander verzahnt werden. Nur so können sie zu einer Wertschöpfung beitragen.
  • „Prozess geht vor Inhalt“ – Nicht das WAS, sondern das WIE entscheidet häufig über die Wirksamkeit. Nicht einzelne Tool-Features sind wichtig, sondern es muss danach gefragt werden, WIE eine erfolgreiche Einführung dieser Tools im Unternehmen realisiert werden kann.
  • „Kultureller Wandel geht nur mit den Menschen“ – Partizipation und klare Entscheidungen, auch unter Unsicherheit sind gefragt.

Social Service am Beispiel „Telekom hilft“

Sehr gespannt war ich auf die erste Keynote, die einmal mehr DEN Vorzeige-Case „Telekom hilft“ behandelte. David Schmidt, Head of eServices B2B und Social Media B2C/B2B eröffnete mir in seinem brillanten Vortrag ganz neue, bislang völlig unbekannte Einsichten und Perspektiven. Ganz offen bekannte er sich dazu, dass das Thema Social Media im Geschäftskundenbereich nicht nur zur Steigerung der Kundenzufriedenheit ins Leben gerufen wurde, sondern ein Stück weit aus „purer Not“: um mit der engen Personaldecke überhaupt guten Kundenservice liefern zu können, müssen sich die Kunden gegenseitig helfen.

eServices haben bereits eine lange „Tradition“

Winter-School-2014-David-SchmidtEin Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Telekom bereits seit 2004 eServices anbietet: damals brachte T-Online ein Service-Forum an den Start.

2010 gelang im Privatkundenbereich der Durchbruch mit „Telekom hilft“ auf Twitter. Neu für mich war, dass dieses Projekt von einem damaligen Praktikanten initiiert wurde, der sich im Rahmen seiner Praktikantenarbeit „einmal Twitter anschauen“ sollte. Also ein nicht wirklich strategischer Ansatz – der Erfolg spricht aber bis heute für sich.

Nach dem Facebook- Start in 2011 wurde 2013 eine Feedback-Community für Privatkunden an den Start gebracht.  Seit Anfang 2014 gibt es eine Business-Community, in der Geschäftskunden-Agenten (derzeit via Hotline) eingesetzt werden.

David Schmidt machte deutlich, dass bedingt durch die Erfolge der Vergangenheit heute tatsächlich Social Media Einzug in die Unternehmensstrategie gefunden hat. So werden Social Media zunehmend in Kundenprozesse integriert (bspw. durch Online- bzw. Video-Chats).

Community-Content ist von zentraler Bedeutung

Um den Bogen auf den Titel seiner Keynote „Content is king“ zu schlagen, zeigte David auf, wie sein Team in diesem Gesamtkontext mit Content umgeht. Dabei sieht die Content-Strategie mittlerweile so aus: weg vom „Own content“  – hin zum „Community Content“, der relevant ist.

Die Business Community www.telekom.de/community wurde Anfang des Jahres noch im Beta-Stadium gelaunched – ganz bewusst, um einfach schnell zu sein– und bildet heute das zentrale Content-Hub. Daneben wurde ein Blog implementiert, der von der Marketingabteilung, externen Bloggern und eigenem Community-Content gespeist wird. Produktmanager wurden ermutigt, sich in der Community mit den Kunden über Ihr Produkt auszutauschen – sowohl in der Kundenkommunikation nach außen, als auch in der Mitarbeitermotivation nach innen ein voller Erfolg.

Ein siebenköpfiges A(lert)-Team sorgt mit Hilfe eines Social Media Monitoring Tools dafür, dass Strömungen und Tendenzen schnell erkannt werden und schlimmstenfalls schnell auf Shit Storms reagiert werden kann.

Von zentraler Bedeutung ist die unternehmensweite, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, wodurch eine prozess- und kanalübergreifende einheitliche Content-Strategie gefahren und eingehalten werden kann.

Perspektivisch soll ein Social Business 2.0 entstehen. Dazu sollen u.a. eine M2M-Online-Community wie auch automatisierte Prozesse über den Twitterkanal gehören. Trendscouting ist ebenso wichtig wie die Omnipräsenz der Social Media unternehmensintern bspw. über Twitterwalls, um mittelfristig den notwendigen „Change“ schaffen zu können

Die wichtigsten Learnings zusammengefasst:

  • Der Kunde unterscheidet heute nicht mehr zwischen unternehmensinternen Strukturen (Marketing, Vertrieb etc.).
  • User generated content is king!
  • „Beta ist mehr als OK“, es zählt Schnelligkeit und die Interaktivität durch Einbeziehung des Kunden.
  • Eine ständige Weiterentwicklung und Qualitätssicherung sind ebenso unabdingbar wie das Trendscouting.

SAP auf dem Weg zur „One Digital Experience“ für den Kunden

Nach einer ersten Kaffeepause ging es weiter mit Christine Bender, Leiter Integrated Online Marketing Mittel- und Osteuropa bei der SAP AG. Sie zeichnete in Ihrer Key Note „Digital Touchpoints gestalten – im Mittelpunkt steht die SAP Customer Experience“ auf, welche gewaltigen Veränderungen der Software-Gigant durch die Verlagerung auf die kundenzentrierte Sicht ausgelöst wurden.

Winter-School-2014-Christine-BenderBesaß SAP bislang einen Direktvertrieb mit einer klar definierten Zielgruppe, dem IT-Leiter, so kam durch Social Media bedingt die Erkenntnis, dass heutzutage der altbewährte Push-Mechanismus nicht mehr funktioniert. Aus einem Customer relationship management muss nun eine customer managed relationship werden oder wie John Lennon schon sagte: „Power to he people“.

Wie aber schafft ein so großer Konzern, die Customer Journey zu „orchestrieren“? Zuerst wurde im Marketing vom reinen Produktverkauf auf Zielgruppen umgestellt. Es muss „One Digital Experience“ für den Kunden über alle Kanäle, über alle Länder hinweg geben. Anstelle einer Zielgruppe wurden insgesamt vier Zielgruppen definiert: Partner, Communities, Customer und Developer. Diese sollen zukünftig über personalisierte Marketingmaßnahmen individuell an unterschiedlichen Touchpoints abgeholt werden. Nicht die Software-Produkte stehen dabei im Mittelpunkt, sondern das Angebot von Lösungen und Antworten zu dem Zeitpunkt, an dem sie der Kunde benötigt.

Die größte Herausforderung sieht Christine Bender jedoch darin, die Mitarbeiter intern im globalen Kontext zu transformieren. Sehr interessant in der anschließenden Diskussionsrunde war zu hören, dass sich nicht nur SAP, sondern auch IBM auf demselben Weg zum kundenzentrierten Unternehmen befindet und vor denselben Herausforderung steht.

Digital Footprint Management – von der Corporate Website bis hin zur Internen Kommunikation

Als letzte Rednerin stellte Dr. Nadja Parpat, Director Consulting bei der Virtual Identity AG, die Ergebnisse einer Workshopreihe zum Thema „Digital Footprint Management“ vor. An der Workshopreihe nahmen Firmenvertreter aus den Online-Abteilungen großer Unternehmen (Allianz, Bayerischer Rundfunk, BMW, Bosch, Siemens etc.), Experten von Virtual Identity sowie der Hochschule Reutlingen teil.

Winter-School-2014-Nadja-ParpartDer erste Workshop stellte die Corporate Website als Urgestein der digitalen Kommunikation in den Mittelpunkt. Als Ergebnis zeigte sich, dass die Corporate Website nach wie vor sehr wichtig ist. Sie bedarf aber einer Anpassung an Bedürfnisse, Nutzer, Channels und Devices. Ihre Businessrelevanz, d.h. der Bezug zum Business und den Geschäftsprozessen muss da sein. „Kommunikation inside-out muss umgewandelt werden in outside-in“. Darüber hinaus sind Individualität und Dynamik ebenso wichtig wie Einfachheit, Agilität und die Schaffung von digitalen Erlebniswelten.

Das Thema Corporate Social Media stand im zweiten Workshop im Juli im Fokus. Einhellig wurden Social Media als Innovationstreiber gesehen. Social Media braucht Strategie, Ziele, Zielgruppe. Reifung, Sinnfragen, Zielorientierung, Mehrwert. Um einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen zu können, müssen alle Social Media Kanäle sowie die Corporate Website miteinander vernetzt werden. Nicht zuletzt können Social Media einen Kulturwandel in Unternehmen auslösen, schließlich „sind wir alle Kommunikateure in der Innen- und Außenwelt“.

Der letzte Workshop widmete sich im September dem Thema „Interne Kommunikation der Zukunft“. Interne Kommunikation muss zukünftig weit mehr sein als das allseits bekannte Intranet: sie ist das Rückgrat der externen Kommunikation und kann sogar als Resilienzfaktor Nr. 1 angesehen werden, der Unternehmen dazu befähigt, widerstandsfähiger gegen Veränderungen und Störungen von außen zu werden. Das Social Intranet wird sich zum „Digital Workplace“ weiterentwickeln, der den aktiven und gestaltenden Mitarbeiter in seinen Prozessarbeit unterstützen und zu einer Effektivitätssteigerung beitragen kann.

Abschließend gab Gastgeber Prof. Dr. Alexander Rossmann einen kurzen Ausblick auf die in 2015 geplanten Aktivitäten. Diese können auf der Website des NextCC Research Labs for Digital Business nachgelesen werden.

Mein Fazit

Es war ein sehr interessanter Tag mit drei hochkarätigen Vorträgen zu einem durchgängigen Thema  und mit einer aus meiner Sicht gemeinsamen Quintessenz: die digitale Transformation in Unternehmen kann nur dann gelingen, wenn sie von den Menschen getragen und gelebt wird.

Und als kleiner Nachschlag möchte ich sehr gerne auf den vor Kurzem erschienenen Report von Charlene Li „Strengthening Employee Relationships in the Digital Era“ verweisen, der wunderbar zeigt, an welcher „Wurzel“ wir anpacken müssen.

Über den Autor 

Markus Besch ist Vorstand der NextDBI AG - Digital Business Institute und Begründer des SocialMedia Institute mit Hauptsitz in Stuttgart.
Sein persönlicher Fokus gilt dem Thema Social Media Strategie, den Social Business Networks LinkedIn und Twitter, sowie der Bereich Tools.

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